Am Anfang stand die Sorge um den Umsatz: Meister Matthias Jung-Kipsch grübelte in seinem Salon "Coloratur Jung" in der Binger Straße 19: „Wie kann ich die Kinder, die noch von ihren Eltern zum Friseur geschickt werden, auch später als meine Kunden behalten?"
Er dachte an seine eigene Jugend, als er das erste Mal über seine Frisur entscheiden durfte: „Ich hatte sofort dem Friseur meiner Mutter den Rücken gekehrt. Ich wollte nicht neben meiner Mutter sitzen." Er hatte sich einen Friseur gesucht, der ihm ein frecheres und letztlich flotteres Aussehen verpasste, mit dem er etwas hermachen konnte. Dem Meister war klar, dass er bei aller handwerklicher Akkuratesse und Verständnis für die Jugend nicht selbst solch ein Friseur sein konnte. Was er aber hat, sind jugendliche Angestellte, die über all diese Vorzüge verfügen. So kam er auf die Idee, seinen Jugendlichen Mitarbeitern mehr Selbstständigkeit einzuräumen und Verantwortung zu übertragen. Er hat den Laden umgebaut, um seiner jungen Belegschaft einen eigenen Salon herzurichten. Den konnten sie sich — unter Berücksichtigung seiner Budgetvorgabe — selbst gestalten. Dort läuft Musik, dort gibt es eigene Hitlisten zur Frisur, dort können die Kunden auf Computern im Internet nach den frechsten Frisuren suchen und sich die dann bei ihren jungen Friseuren bestellen. Die Qualität wird durch ein innerbetriebliches System garantiert.
„Wir wollen hier auf keinen Fall ein Billigangebot aufmachen, obwohl wir bei den Jugendlichen im Preis etwas nachgeben." Seine jugendlichen Mitarbeiter hat Meister Matthias Jung-Kipsch betriebsintern je nach Qualifikation in „Topstylisten", „Youngstylisten" und Lehrlinge eingeteilt. Den Jugendsalon leitet die 26-jährige Topstylistin Svetlana. Die ist von dieser Idee ihres Chefs hellauf begeistert. Als Erstes hat sie neue Haarfarben reingebracht. An ihrer Seite arbeitet die 20-jährige Youngstylistin Nicole, die erst im Februar zum Team gekommen ist und hier wie nie zuvor Freude an der Arbeit findet. Am Eröffnungstag hatte sich der Jugendsalon noch nicht herumgesprochen, sodass die ersten Kunden doch Stammgäste sind, die schon an der Hand der Eltern kamen. Aber Jana (18) und Julia (16) finden es so toll, was die jungen Friseure mit ihren Haaren anstellen, dass die Geschäftsidee des Meisters wohl aufgehen wird. Diesen Salon „Coloratur 4 Young" darf aber nur besuchen, wer noch nicht das 26. Lebensjahr überschritten hat. Und selbst für die Topstylisten gilt das bewährte Motto „Trau keinem über 30". Danach geht es in die obere Etage zu den anderen Kunden und Kollegen. Dafür ist es dort ruhiger und man kann ohne hippe Musik mit seinem Friseur plaudern. FW
Foto: Wecker